Sonntag, 14. Jänner 2016 – 5.15 Uhr: Warum steh ich am Sonntag freiwillig um diese Zeit auf? Weil heute für mich der Tag der Tage ist. Es geht darum ein vor 3,5 Jahren gestecktes Ziel endlich in die Tat umzusetzen. Während dieser Zeitspanne habe ich mir immer wieder und immer wieder dieses Ziel in Erinnerung gerufen. Es hat mich angetrieben, hart dafür zu arbeiten. Überraschender Weise bin ich sehr ruhig, gar nicht aufgeregt. Ich nehme es so hin, wie es kommt. Ohne körperlichen Schaden aus der Sache rauszukommen, ist die Vorgabe des Tages. Mein Geist sagt zwar „ich will“ und der Körper erwidert „ja, heute ist es so weit.“ Das gibt Sicherheit und eine unerschüttbare Zuersicht.
10 Uhr: Immer noch bin ich die Ruhe in Person. Das macht mich ein wenig stolz, denn es zeigt mir eine persönliche Weiterentwicklung und gibt mir die Gewissheit, dass es nun wirklich an der Zeit ist. An der Zeit ein mir selbst gegebenes Versprechen in aller Stille Realität werden zu lassen. Ich aktivere meine Laufuhr und los geht’s. Ich laufe über die Startlinie und zeitgleich legt sich in mir ein Schalter um. Noch ein schneller Blick zu meiner Schwester, die ihre eigene Challenge heute absolviert, um im nächsten Moment als Einzelkämpfer einen Schritt vor den anderen zu setzen. Und es läuft, läuft besser als ich mir vorstellen konnte. Im Geist weiß ich jetzt schon, dass ich alle drei Runden absolviere, aber dem Körper gibt es Sicherheit dazwischen aussteigen zu können. Nur die Möglichkeit es tun zu können, zählt.
Erste Runde: „Los lei lafn“ – sagen wir Kärntner so schön. Und genau so war es. Ich konnte mit einem Tempo starten, das ich mir im Traum nicht erhoffte. Meine Haltung war perfekt ohne darüber nachdenken zu müssen, mein gesamter Körper war ohne Schmerzen und wir – mein Körper und mein Geist – waren uns einig: Heute ist wirklich dieser eine Tag. Ich hatte Tränen in den Augen. Tränen vor lauter Freude und ich musste lachen. Ich genoss es unter Läufern zu sein, ihre geschmeidigen Bewegungen zu sehen und selbst das Gefühl zu haben körperlich frei zu sein. Spätestens jetzt war klar, es gibt kein zurück.
Zweite Runde: Der Moderator gibt mir als Namenszusatz – die gutgelaunte Elke aus Grünbach. Weiter geht’s. Der Körper meldet sich und fordert das Tempo zu drosseln. Die Vernunft siegt. „Es geht ja schließlich um die Distanz und was sind schon ein paar Minuten gegen die Ewigkeit“, denk ich mir. Es wird nun körperlich härter. Die Worte der Trainerin kommen mir in Erinnerung: Bauchmuskeln anspannen, Rippenbögen schließen, Schultern nach unten, Kopf unsichtbar nach oben ziehen. Diese Haltung kombiniere ich mit meiner gelernten und in Fleisch und Blut übergegangen Lauftechnik (habe vor Jahren einen Kurs bei www.marquardt-running.com absolviert): Es klappt. Nicht mal die Bewegung wird zur Herausforderung, sondern diese scheinbar nicht endend wollende Ebene – die Praterhauptallee. Ich laufe zwar hier, aber in Gedanken laufe ich die einstigen Strecken von damals. Ich laufe um die Kurve, mit leichter Steigung, mit Blick auf den Schneeberggipfel – aber eben nur in Gedanken. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir mein Tempo. Eigentlich nur eine Bestätigung für das, was frau eh im Gefühl hat. Ein wenig kommt der Ehrgeiz durch, ein Etappenziel wird gemacht: Diese Runde dieses Tempo halten. Die Musik im Ohr unterstützt mich und trägt mich weiter. Die kurze Begegnung mit meiner Schwester wird genutzt, um uns gegenseitig zu bestätigen: „Wir wollen es wissen, wir laufen in die dritte Runde.“
Dritte Runde: Ich drossle das Tempo – wieder ein km/h weniger. Doch mein Körper sagt: „Danke Elke, aber weiter runter gehen wir nimmer. Das wird sonst mühsam.“ Okaaay. Jetzt muss ich denken. Werden meine Beine es aushalten? Was ist, wenn sie wegkippen – wie so oft in letzte Zeit – und ich ungebremst und unkontrolliert falle. Meine Eigenverantwortung ist in dem Moment sehr stark. Die Elke, die mit Biegen und Brechen nur an das Ziel denkt, exisiert jetzt nicht. Ich möchte ohne körperliche Blessuren ins Ziel einlaufen. „Vertrauen, sich selbst trauen, sich trauen: ich trau mich, ich vertraue mir.“ Diese Worte kommen mir in den Sinn und weiter geht es. Ein Mädchen – ein junge Frau – fragt mich, ob sie mit mir laufen darf. Oh, ich bin überrascht, denn in diesem Moment werde ich zur Schrittmacherin. Ich gebe das Tempo vor. Wenn ich merke, dass wir langsamer werden, passe ich es wieder an. Ich bin dankbar für diese vom Leben iniziierte Aufgabe. Unsere Füße laufen synchron, wir schweigen nebeneinander, geben uns gegenseitig Halt und laufen und laufen. Das Ziel ist da, noch ca. 100 m. Ich sehe meine Schwester. Jetzt bin ich nicht mehr zu bremsen. Ich gebe Gas und laufe juchzend über die Linie. Geschafft, ich habe es geschafft. Die junge Frau hinter mir. Wir geben uns die Hand, nennen unsere Namen und sie bedankt sich mit den Worten: „Ohne Dich hätte ich es nicht geschafft.“
Ich stehe und bin einfach glücklich. Ein Meilenstein für mich.
7 comments
iris
16. Februar 2016 at 9:32
war schon extrem super, bin froh dabei gewesen zu sein!
danke Elke
iris
16. Februar 2016 at 9:34
du hast gar nicht geschrieben das das ein Halbmarathon war!
Elke Hasenbichler
16. Februar 2016 at 9:44
war echt ein Highlight… einzeln und doch gemeinsam ein Ziel erreicht!… grazie…
Iris
16. Februar 2016 at 20:02
tja, einen Fuß vor den anderen setzen muss halt doch jeder für sich 😉
aber ohne dich wär ich das Projekt nicht angegangen…
Elke Hasenbichler
16. Februar 2016 at 9:49
🙂
Kerstin
16. Februar 2016 at 13:41
Total super, herzlichen Glueckwunsch euch beiden! Weiss gar nicht, wer da mehr strahlt – Elke oder Iris! Wie spannend, den Bericht zu lessen, und ich freu mich sehr fuer euch. Man merkt beim Lesen, was fuer ein tolles Gefuehl das gewesen sein muss! Hut ab!
Iris
16. Februar 2016 at 20:04
danke Kerstin,
es hat wirklich Spass gemacht, vor allem wenn man einigermaßen vorbereitet ist… das hab ich noch anders in Erinnerung 😉
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