Schon sehr schnell musste ich in der ersten Zeit nach meinem Unfall erkennen, dass Schmerz mein ständiger Begleiter war und nach wie vor noch ist. Genau kann ich es nicht mehr sagen, wann sich mein Leitsatz in dieser Konstellation formte. Irgendwann war er einfach da, doch ich kann beschreiben, wie ich ihn verstehe und deute.
Schmerzen sind ganz eigen. Sie kommen, sie gehen, sie sind einfach da und begleiten dich. Natürlich gibt es genug Medikamente, aber ab einem gewissen Grad der Schmerzintensität ist dies nicht ausreichend. Die panale Frage: „Auf einer Skala von 1 bis 10, wie ordnen Sie Ihren Schmerz ein?“ löst in mir noch immer Unmut aus. Schmerz ist sehr subjektiv, jeder nimmt ihn anders war und ordnet in anders ein. Eine 3 für mich, ist für andere vielleicht eine 10, denn meine Schmerzgrenze ist relativ hoch, getrau ich mich zu sagen. Das ist jedoch ein anderes Thema. Als ich erkannte, dass dieser Schmerz nun einfach zu mir gehört, überlegte ich: Wie geh ich damit um? In gewisser Weise empfand ich diese Situation als ein Ausgeliefertsein, als ein Nicht-Eingreifen-Können. Das wollte ich nicht. Ich wollte Mitentscheiden, Mitwirken und etwas Wesentliches für meine Genesung beitragen. Ich erinnere mich noch oft an meine ersten Erfahrungen mit der Motorschiene: Damit mein linkes Bein nicht steif wird und ich es damals selbst nicht bewegen konnte, wurde das Bein mithilfe dieser gebeugt und gestreckt – also bewegt. Anfangs nur 20 Minuten und irgendwann fragte ich, ob ich nicht längere Einheiten haben kann. Es war zwar schmerzhaft – ja sogar schmerzhafter, aber der Schmerz war so und so da. Es wurde seltsamer Weise für mich jedoch einfacher zu ertragen, wenn ich den Grad bzw. die Zeit der Belastung selbst entscheiden konnte. Ab diesem Zeitpunkt versuchte ich die Einheiten selbst ein wenig zu verlängern odern ein bißchen intensiver zu machen. An dieser Stelle muss ich jedoch eines sagen: Das klappt nicht immer. Es gibt Tage, da muss frau sich dem Schmerz hingeben und dem Körper Ruhe gönnen. Das war wohl einer der wesentlichsten Lerneffekte für mich. Mit Verstand dabei zu sein.
Es heißt für mich nun nicht mehr: Stur etwas zu tun und durchzuziehen. Im Gegenteil. Ich musste leider erfahren, dass das nicht viel bringt. Je verbissener ich etwas durchsetzen wollte, desto schwieriger war der Umgang mit dem Schmerz. Es bedeutete zwar, es im Moment zu schaffen, aber am nächsten Tag bekam ich meist die Rechnung präsentiert. Es ging mir schlechter. Es war und ist ein Geben und Nehmen – wie so oft im Leben.
In meiner Reha-Zeit konnte ich oft beobachten, dass Schmerz eine Schwelle zur körperlichen Weiterentwicklung für viele war. Schmerz kann blockieren, manche zum Aufgeben bringen, eine unbeschreibbare Wut auslösen, Verzweiflung in den Augen sichtbar machen, die gesteckten Ziele aus den Augen zu verlieren und so vieles mehr.
Aber Schmerz hilft uns auch. Er spricht mit uns. Was will er mir sagen? Diese Frage stelle ich mir oft selbst. Und ich finde meist selbst eine Antwort. In diesem Sinne: Sei einfach schneller!